Hochschulinformationen

2. Mai 2020

Pan-Cancer-Analyse des gesamten Genoms

Ein internationales Team, darunter Wissenschaftler des Instituts für Hu-mangenetik aus Ulm und aus Tübingen, des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie (EMBL), DKFZ, Deutsches Konsortium für Translati-onale Krebsforschung (DKTK) hat die bisher umfassendste Studie über Krebsgenome abgeschlossen, wodurch unser grundlegendes Verständnis von Krebs deutlich verbessert wird und neue Wege für seine Diagnose und Behandlung aufgezeigt werden. Eine wichtige Erkenntnis ist, dass es möglich ist, Mutationen im Genom zu identifizieren, die Jahre oder sogar Jahrzehnte vor dem Auftreten eines Tumors aufgetreten sind – was theo-retisch eine neue Möglichkeit zur Krebsfrüherkennung werden könnte. Die Ergebnisse des Projekts werden heute in mehr als 20 Artikeln in Na-ture und den angeschlossenen Zeitschriften veröffentlicht.

Bis vor kurzem konzentrierte sich die Forschung zum Krebsgenom auf proteinkodierende Gene, die zusammen nur 1% des Genoms ausmachen. Um dieses Problem anzugehen, untersuchte das ICGC/TCGA Pan-Cancer Analysis of Whole Genomes (PCAWG) mittels whole genome sequencing (WGS) über 2.600 Primärtumoren und passenden normalen Geweben (Kontrollgruppe) bei 38 ver-schiedenen Tumortypen.

Diese Studie enthüllte die weitreichende Rolle, die großräumige strukturelle Mutationen bei Krebs spie-len, identifizierte bisher unbekannte krebsbedingte Mutationen in Genregulationsregionen, beobachte-te die Tumorentwicklung über mehrere Krebsarten hinweg, beleuchtete die Wechselwirkungen zwischen somatischen Mutationen und dem Transkriptom und untersuchte die Rolle genetischer Keimbahnvari-anten bei der Modulation von Mutationsprozessen.

Diese Sammlung umfasst Dokumente, die die Kernsätze der vom PCAWG-Konsortium durchgeführ-ten Analysen beschreiben, und enthält Daten, Tools und andere Ressourcen für diejenigen, die die vorliegenden Daten weiter auswerten möchten.

Pan-Cancer Analysis of Whole Genomes. A collection of research and related content from the ICGC/TCGA consorti-um on whole genome sequencing and integrative analysis of cancer. https://www.nature.com/articles/s41586-020-1969-6 (open access)

2. Mai 2020

Genveränderungen bei Autismus auch für Störungen des Magen-Darm-Traktes verantwortlich

Heidelberger Humangenetiker und Würzburger Physiologen entdeckten, dass eine bestimmte Form des Autismus sowie gleichzeitig auftretende Verdau-ungsprobleme und eine Erkrankung der Speiseröhre eine gemeinsame geneti-sche Ursache haben. Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes treten bei Men-schen mit einer Autismus-Spektrum-Störung überdurchschnittlich häufig auf. Die Ursachen dafür sind nicht bekannt. Dies ist auch der Fall bei dem FOXP1-Syndrom, das zu den häufigeren Autismus-Erkrankungen zählt, und dessen zugrundeliegendes Gen für einen Transkriptionsfaktor kodiert.

Die Arbeitsgruppen von Prof. Dr. Gudrun Rappold am Institut für Humangenetik, Heidelberg und von Prof. Dr. Andreas Friebe, Physiologisches Institut der Universität Würzburg untersuchten diese Zu-sammenhänge nun erstmals systematisch an Mäusen mit einem Foxp1+/--Gendefekt, welche ein dem Menschen entsprechendes Krankheitsbild entwickeln. 

Foxp1+/- Mäuse zeigten ein abweichendes Fressverhalten und nahmen weniger Futter und Wasser auf als Mäuse ohne diese genetische Veränderung. Der Dickdarm und die Speiseröhre hatten eine ver-minderte Dicke der Muskelschicht. Der Ringmuskel am Mageneingang wies eine gestörte Funktion auf, die dazu führt, dass er beim Schluckvorgang nicht richtig öffnet (Achalasie). Die bei dem Maus-modell nachgewiesene Achalasie (erstmalig bei einem heterozygoten Krankheitsbild gezeigt) und die Veränderung der Darmperistaltik sind höchstwahrscheinlich auch bei Patienten mit FOXP1-Syndrom häufig der Grund für vorkommende Schluckbeschwerden und Obstipation.

Tatsächlich ist die überwiegende Mehrheit der Gene, die unmittelbar mit Autismus in Verbindung ste-hen, sowohl im Gehirn als auch im Magen-Darm-Trakt aktiv. Es ist daher anzunehmen, dass Defekte in diesen Genen sowohl die Funktion des Gehirns als auch des Darms beeinträchtigen. Dies wurde mitt-lerweile bei einer Reihe von Genen gezeigt, wie chd8/CHD8, Nos1/NOS1, Slc6a4, Nlgn3/NLGN3 und shank3. Vieles deutet darauf hin, dass eine fehlgeleitete Entwicklung der Struktur oder Funktion des enterischen Nervensystems oder eine gestörte Kommunikation zwischen „Bauchhirn“ und „Kopfhirn“ dabei eine Rolle spielen.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die gastrointestinalen Symptome, die bei Autismus vermehrt auftreten, nicht unbedingt Komorbiditäten oder Folgeerscheinungen der Medikation sind, sondern dass diese Symptome wahrscheinlich Teil des autistischen Phänotyps sind.

1. Fröhlich H, Kollmeyer ML, Linz VC, Stuhlinger M, Groneberg D, Reigl A, Zizer E, Friebe A, Niesler B, Rappold G: Gastrointestinal dysfunction in autism displayed by altered motility and achalasia in Foxp1+/- mice. PNAS 116(44): 22237-45, 2019.
2. Niesler, B. und Rappold, G. Emerging evidence for gene mutations driving both brain and gut dysfunction in autism spectrum disorder. Molecular Psychiatry, in press

2. Mai 2020

Gestörte zelluläre Kollagen-Sekretion durch TANGO1-Mutationen

Ein neues Krankheitsbild mit Dentinogenesis imperfecta, proportioniertem Kleinwuchs und Diabetes mellitus wird durch Störungen der zellulären TAN-GO1-Maschine zum Export von Kollagenen ausgelöst. Das berichtet ein von der Würzburger Humangenetik koordiniertes deutsch-belgisch-spanisches Forschungsteam im Journal „eLife“.

Kollagenfasern sind aufgrund ihrer Zugfestigkeit ein wichtiger Bestandteil von Bindegewebe und ma-chen etwa 25% unseres Trockengewichtes aus. Die Kollagen-Tripel-Helix wird im endoplasmatischen Reticulum (ER) zusammengesetzt. Das "Transport and Golgi Organization 1 Protein" (TANGO1) hat sowohl einen im ER lokalisierten, als auch einen cytoplasmatischen Teil und ist für den zellulären Ex-port und die Sekretion der gigantischen Kollagen-Moleküle verantwortlich. Trotz seiner zentralen Rolle beim Transport von grossen Frachtmolekülen waren beim Menschen bisher noch keine genetischen Defekte in TANGO1 bekannt.

Vier Brüder einer blutsverwandten Familie zeigen eine schwere Störung der Zahnentwicklung, Klein-wuchs, verschiedene Skelett-Abnormalitäten, Insulin-abhängigen Diabetes, Hörstörung und eine leich-te Intelligenzminderung. Biallelische Punktmutationen führen in der überwiegenden Zahl der TANGO1 mRNA-Moleküle zum Exon Skipping. Dem kodierten Protein fehlt die cytoplasmatische Domäne und es ist nicht an den korrekten Stellen in den Zellen, den sogenannten ER Exit Sites lokalisiert. Die Ex-pression des trunkierten Proteins stört in Zellen mit intaktem endogenen TANGO1 die Kollagen-Sekretion. Die meisten Symptome der Patienten sind mit einer Kollagenerkrankung gut vereinbar. Die verminder-ten Insulin-Spiegel werden wahrscheinlich durch den gestörten Export von anderen Molekülen verur-sacht. Ein besseres Verständnis des TANGO1-abhängigen Transports könnte also auch neue Er-kenntnisse über die Pathophysiologie von Diabetes und neue Target-Moleküle für therapeutische Ent-wicklungen liefern.

Lekszas C, Foresti O, Raote I, Liedtke D, König EM, Nanda I, Vona B, De Coster M, Cauwels R, Malhotra V, Haaf T. Biallelic TANGO1 mutations cause a novel syndromal disease due to hampered cellular collagen secretion. Elife 9, e51319, 2020.

2. Mai 2020

Empfehlung für die Durchführung der Genetischen Beratung und prädiktiven genetischen Diagnostik von Huntington-gefährdeten Personen veröffentlicht

Verabschiedet vom Vorstand und Beirat der Deutschen Huntington Hilfe (DHH) wurden eine Empfeh-lung für eine optimale Durchführung der Genetischen Beratung und prädiktiven genetischen Diagnos-tik von Huntington-gefährdeten Personen ausgearbeitet.

Ziel dieser Empfehlung ist es, zum einen einen einheitlichen Standard der Genetischen Beratung und Diagnostik von Huntington-gefährdeten Personen und ihren Angehörigen in Deutschland zu gewährleisten. Zum anderen soll damit die Grundlage für zukünftige Zertifizierungen entsprechender human-genetischer, neurologischer und psychiatrischer Einrichtungen durch die DHH bildet werden.

Die Empfehlung nimmt Bezug auf

  • Rahmenbedingungen
  • prädiktive Diagnostik und genetische Beratung
  • Blutabnahmen der A- und B-Proben
  • Labordiagnostik
  • Ergebnismitteilung
  • Humangenetisches Gutachten
Weitere Informationen finden Sie unter:
https://www.dhh-ev.de/sites/default/files/Downloads/2019-11_DHH-Empfehlung_GenBeratung_Pr%C3%A4diktiveGenDiagnostik_HK.pdf