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Multifaktorielle Krankheiten

Koordinator

 

Person
Prof. Dr. med. Markus M. Nöthen

 

Institut für Humangenetik 

Universitätsklinikum Bonn
Venusberg-Campus 1 
53127 Bonn

 

Beschreibung der Erkrankungsgruppe

Die sogenannte Volkskrankheiten (z.B. Diabetes mellitus Typ 1/2, Koronare Herzkrankheit/Herzinfarkt, psychiatrische Störungen) zählen zu den multifaktoriellen Krankheiten. Genetische Faktoren tragen zu den multifaktoriellen Krankheiten im Sinne einer genetischen Disposition bei, zur Krankheit kommt es durch das Zusammenspiel von genetischer Disposition und Umgebungsfaktoren. Der genetische Beitrag wird durch Varianten in vielen Genen vermittelt (sog. Polygenie). Die Identifizierung der beteiligten Gene spielt eine wichtige Rolle in der Ursachenforschung (s.u.), erste praktische Anwendungen in der genetischen Diagnostik sind in der Entwicklung. In der genetischen Beratung wird über Wiederholungsrisiken informiert, auf der Basis von Daten, die aus großen Familienstudien stammen. Bei manchen, überwiegend multifaktoriell verursachten Krankheiten (Alzheimer-Krankheit), gibt es bei einem Teil der Patienten auch monogene Ursachen (z.B. familiäre Alzheimer-Krankheit, familiäre Hypercholesterinämie).

 

Forschungsaktivitäten

Bei den multifaktoriellen Krankheiten erzielt man durch die Identifizierung der beteiligten Gene Einblicke in krankheitsrelevante biologische Mechanismen (Ursachenforschung). Bei Anwendung genomweiter Methoden (z.B. genomweite Assoziationsstudien, Gesamtgenomsequenzierungen) ist dieser Einblick systematisch und umfassend, da mit der Untersuchung des gesamten Genoms im Prinzip alle menschlichen Gene auf eine Beteiligung an der Krankheit untersucht werden. Mit genomweiten Assoziationsstudien können in der Bevölkerung häufige Varianten effizient und kostengünstig untersucht werden, mittlerweile sind assoziierte Genloci für nahezu alle multifaktoriellen Krankheiten beschrieben (www.ebi.ac.uk/gwas). Gesamtgenomsequenzierungen bilden das gesamte Spektrum der genetischen Variation, einschließlich der seltenen Varianten ab, stellen aber angesichts der Fülle seltener genetischer Varianten eine Herausforderung für die Interpretation dar. Zum detaillierten Verständnis der biologischen Mechanismen werden nach der Identifizierung eines assoziierten Genes weiterführende, z.B. bioinformatische oder experimentelle Untersuchungen durchgeführt.

Die genetische Forschung leistet auch wichtige Beiträge zur Identifizierung ätiologisch definierter Subgruppen und zur Identifizierung krankheitsübergreifender biologischer Mechanismen.

Aus der genetischen Forschung werden neue Angriffspunkte für die Medikamentenentwicklung (sogenannte drug targets) vorgeschlagen bzw. die Bewertung möglicher drug targets verbessert (Plenge et al. 2013, Hingorani et al. 2019). Eine weitere Möglichkeit der Translation genetischer Befunde in die klinische Praxis ist die Integration genetischer Daten in Risiko-Scores zur Identifizierung von Risikopersonen, denen in der Folge risikoangepasste Präventions- oder Früherkennungsmaßnahmen empfohlen werden (Khera et al. 2019). Mit der methodischen Entwicklung sog. polygener Risiko-Scores (PRS) wurde hierfür eine wichtige Voraussetzung geschaffen, da im PRS die individuelle polygene Disposition in einer Maßzahl zusammengefasst wird (Wray et al. 2007).

Krankheitsbilder Ansprechpartner  Kontakt Download
 Alopecia areata Prof. Dr. Regina Betz
Institut für Humangenetik, Universitätsklinikum Bonn
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Alzheimer Krankheit PD Dr. Dr. Alfredo Ramirez
Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Universitätsklinikum Köln 
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Androgenetische Alopezie Dr. Stefanie Heilmann-Heimbach
Institut für Humangenetik, Universitätsklinikum Bonn 
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Chronisch entzündliche Darmerkrankungen
Prof. Dr. Andre Franke
Institut für Klinische Molekularbiologie, Universität zu Kiel
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Koronare Herzkrankheit / Herzinfarkt Prof. Dr. Jeanette Erdmann
Institut für Kardiogenetik, Universität zu Lübeck
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Lippen-Kiefer-Gaumenspalten PD Dr. Elisabeth Mangold
Dr. Kerstin Ludwig
Institut für Humangenetik, Universitätsklinikum Bonn
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Psoriasis Prof. Dr. Ulrike Hüffmeier
Institut für Humangenetik, Universitätsklinikum Erlangen
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Psychiatrische Störungen Prof. Dr. Andreas Forstner
Prof. Dr. Markus Nöthen
Institut für Humangenetik, Universitätsklinikum Bonn
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Urogenitale / Anorektale Fehlbildungen PD Dr. Heiko Reutter
Institut für Humangenetik, Zentrum für Kinderheilkunde, Universitätsklinikum Bonn
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Literatur

Hingorani AD, Kuan V, Finan C, Kruger FA, Gaulton A, Chopade S, Sofat R, MacAllister RJ, Overington JP, Hemingway H, Denaxas S, Prieto D, Casas JP. Improving the odds of drug development success through human genomics: modelling study. Sci Rep. 2019; 9:18911. (PubMed: 31827124)

Khera AV, Chaffin M, Aragam KG, Haas ME, Roselli C, Choi SH, Natarajan P, Lander ES, Lubitz SA, Ellinor PT, Kathiresan S. Genome-wide polygenic scores for common diseases identify individuals with risk equivalent to monogenic mutations. Nat Genet. 2018; 50:1219-1224. (PubMed: 30104762)

Plenge RM, Scolnick EM, Altshuler D. Validating therapeutic targets through human genetics. Nat Rev Drug Discov. 2013; 12:581–594. (PubMed: 23868113)

Wray NR, Goddard ME, Visscher PM. Prediction of individual genetic risk to disease from genome-wide association studies. Genome Res. 2007; 17:1520–8. (PubMed: 17785532).